Abgesockelt: Ungewisse Zukunft der Gasförderung aus rumänischem Schelf

Anfang des Jahres gab der US-Energiekonzern Exxon Mobil offiziell seine Absicht bekannt, seinen 50 %igen Anteil am Offshore-Projekt Neptun Deep auf dem rumänischen Schelf des Schwarzen Meeres zu verkaufen. Obwohl seit November 2019 Gerüchte über einen Verkauf im Umlauf waren, hat sich bislang noch kein ernsthafter Käufer gemeldet. Das hat einen Grund.

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Exportfrage immer noch ungelöst

Einige wichtige Akteure haben in den vergangenen zehn Jahren Vorbereitungen für den Erwerb dieser Anlage getroffen, darunter die russische Lukoil und die österreichische OMV. Die Exportbeschränkungen und andere Veränderungen in der Energiewirtschaft, die unvermittelt von der bis November 2019 amtierenden sozialdemokratischen Regierung auferlegt wurden,  trafen sie dann wie aus heiterem Himmel.

Die diesbezügliche Gesetzgebung umfasst Preisobergrenzen, Steuern und Exportbeschränkungen, sowie die umstrittenste Auflage, inländische Käufer gegenüber ausländischen Käufern zu bevorzugen. Die betreffende Verordnung schreibt vor, dass nicht weniger als 50% des geförderten Gases innerhalb Rumäniens verwendet werden sollen, wobei die lokalen Endnutzer insbesondere priorisiert werden. Angesichts der Tatsache, dass die Produktion der rumänischen Gasfelder derzeit 90 % der Inlandsnachfrage von etwa 11 Milliarden Kubikmeter (Mrd. m3) pro Jahr ausmacht, stellt die Beschränkung wenig überraschend ein wirksames Verbot von Gasexporten dar. Laut einer offiziellen Erklärung der rumänischen OMV Petrom, die gemeinsam mit ExxonMobil Eigentümerin von Neptun Deep ist,  „bietet das derzeitige gesetzliche Umfeld nicht die notwendigen Voraussetzungen für eine Entscheidung über mehrere Milliarden Dollar“.

Im vergangenen Sommer erklärte die Europäische Kommission die Beschränkungen für illegal und drohte damit, gerichtlich gegen Rumänien vorzugehen. Trotz dieser starken Reaktion gibt Rumänien die Gesetzgebung nur langsam und widerwillig auf. Bislang verpflichtete sie sich, an drei Kopplungspunkten zwischen Rumänien und den benachbarten EU-Ländern Bulgarien und Ungarn eine Mindestausfuhrkapazität von insgesamt 3,7 Mrd. m3 pro Jahr zur Verfügung zu stellen. 

Derart geringe Mengen machen es ausländischen Investoren unmöglich, sich auf ausreichende Einnahmen aus der Förderung erkundeter Reserven zu verlassen. Dennoch ist Rumänien was künftige Partner angeht wählerisch. „Sollte sich Exxon zum Verkauf entschließen, wollen wir einen seriösen Partner, einen, der aus der Region unserer Partnerschaften kommt, der Europäischen Union, NATO“, sagte Rumäniens Premierminister Ludovic Orban im Januar dem privaten Fernsehsender Digi24.

Externe Faktoren

Gleichzeitig ist das aktuelle politische Umfeld für rumänische Offshore-Projekte unklar. Einerseits ist die EU um die Energiesicherheit besorgt und drängt Rumänien, anderen Mitgliedsstaaten einen fairen Anteil zu gewährleisten, insbesondere denen, die von ausländischen Lieferungen abhängig sind. Auf der anderen Seite bedeutet der europäische Green Deal, der  langfristige Entwicklungsplan der EU, dem gemäß die EU bis 2050 Klimaneutralität erreichen soll, dass die Förderung und Raffinierung konventioneller Energieträger wie Kohle, Öl und Erdgas stark reduziert werden muss. 

Eine von der Europäischen veröffentlichte, wegen der Coronaviruskrise wenig in der Öffentlichkeit beachtete Initiative, zielt darauf ab, die Klimaziele der EU für 2030 noch zu erweitern. Statt der zuvor geplanten Senkung der Treibhausgasemissionen um 40 % im Vergleich zu den Werten von 1990, schlägt die EG nun eine Reduzierung um 50-55 % vor. Der Fahrplan (https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say/initiatives/12265-2030-Climate-Target-Plan sieht die drastische Umgestaltung eine Reihe von Sektoren vor, während andere Sektoren schrumpfen müssen. Zu letzteren gehören „der Kohlebergbau oder die Ölraffinierung sowie deren Original Equipment Manufacturer und Lösungsanbieter““.

Trotz der Tatsache, dass es im Moment keine Anzeichen dafür gibt, dass die Felder am Schwarzen Meer stillgelegt werden, bleibt dieses Damoklesschwert problematisch. Der derzeitige Kooperationspartner des Neptun Deep-Projekts OMV Petrom (mehrheitlich im Besitz der österreichischen OMV) ist nicht in der Lage, langfristige Investitionsentscheidungen zu treffen und wird gegebenenfalls den Wert des Neptun Deep-Projekts neu kalkulieren.

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Politische Unsicherheit

Obwohl die derzeitige rumänische Regierung unter Ludovic Orban von der Nationalliberalen Partei (PNL) ihre Absicht bekundete, die strengen Obergrenzen und Beschränkungen auf dem Erdgasmarkt aufzuheben, hat sich die Realisierung zum Teil aufgrund von Sicherheitsbedenken verzögert. „Die Projekte im Schwarzen Meer sind eine Frage der nationalen Sicherheit und ich würde empfehlen, dass uns niemand diesbezüglich herausfordert“, schrieb Energieminister Virgil Popescu auf seiner Facebook-Seite und signalisierte damit, dass Rumänien unglücklich darüber ist, dass Russlands Lukoil das größte Interesse am Neptun-Projekt bekundete.

Ein weiterer Grund für die Verzögerung bei der Umsetzung ist ein rapider Anstieg der Staatsverschuldung. Eine Reihe von Steuern auf den Banken-, Energie- und Telekommunikationssektor, die 2018 von der vorherigen Regierung genehmigt wurden, führten auf den Aktienmärkten zu einem Kursverlust von mehr als 12 %. Geplant war eine Erhöhung der Sozialausgaben, einschließlich einer 40%igen Erhöhung der Renten im ganzen Land. Die derzeitige Regierung schreckt davor zurück, dieses Ziel vom Tisch zu nehmen, obwohl es nicht realisierbar ist. „Wenn wir es nicht [realisieren], verlieren wir die Wahl“, wurde  Orban in der Financial Times zitiert. Er hielt fest, dass von den 19 Millionen Einwohnern Rumäniens fünf Millionen Rentner sind, „und die gehen zur Wahl“.

Die Führung selbst ist wackelig, da sich die Regierung seit ihres Wahlsieges im November 2019 bereits im Februar einem Misstrauensvotum stellen musste. Sie blieb vor allem infolge des Ausbruchs des Coronavirus im Amt, da alle Entscheidungsträger verstehen, dass ein Machtwechsel zu einem solchen Zeitpunkt zu echten Verlusten führen könnte. Ob die Verantwortlichen und der politische Kurs des Landes auch nach der Krise gleichbleiben, ist allerdings die große Frage. 

All diese Faktoren tragen zur Unsicherheit bei. Während die Energiesicherheit in Europa ein Thema bleibt, geht die Rentabilität von Offshore-Projekten tendenziell zurück, und Neptun Deep wird wahrscheinlich noch weiter verschoben werden.