Die Entwicklung der europäischen Wirtschaft und die Aussicht auf einen langen Krieg in der Ukraine sorgen dafür, dass die Frage der mittelfristigen Instrumente für die europäische Energieversorgungssicherheit ganz oben auf der Tagesordnung steht. Der Grundansatz, in Europa auf russisches Erdgas zu verzichten, hat teilweise funktioniert, sodass die Länder der EU den Winter 2022/23 ohne große wirtschaftliche und soziale Beeinträchtigungen überstanden haben.
Monatsarchiv: August 2023
Mit dem ehrgeizigen Ziel, sich schnell vom „Blutgas“ des Aggressors Russland zu lösen und es gegen “Freedom LNG” von der anderen Seite des Atlantiks einzutauschen, erfüllt die EU ihre moralische Pflicht. Sie führt sich damit unter Umständen jedoch ungewollt selbst in eine infrastrukturelle Sackgasse, wenn sie zwischen dem wirtschaftlichen und dem ökologischen Zusammenbruch wählen
Im Jahr 2022 verzeichnete Europa den stärksten Rückgang der Gasnachfrage aller Zeiten, und zwar um 55 Milliarden Kubikmeter (bcm) oder 13 %, wie die Internationale Energieagentur berichtet https://www.iea.org/commentaries/europe-s-energy-crisis-what-factors-drove-the-record-fall-in-natural-gas-demand-in-2022 . Gleichzeitig haben sich die Ausgaben für Gasimporte im Vergleich zu 2021 fast verdreifacht und erreichen 400 Milliarden Euro. Langfristig kann es sich der europäische Kontinent jedoch weder leisten, den Gasverbrauch so niedrig zu halten, noch so viel für Energie auszugeben.
Die EU muss nach Verhängung des Importverbots für russisches Öl aufgrund der Ereignisse in der Ukraine nun auf die Suche nach alternativen Lieferquellen gehen. Eine verstärkte Einfuhr des „schwarzen Goldes“ aus Afrika ist eine der Möglichkeiten. Allerdings ist laut Aussage von Fachleuten davon auszugehen, dass in nächster Zeit kein großer Zuwachs bei den Lieferungen aus Afrika zu erwarten ist. Dafür gibt es mehrere Gründe: niedrige Fördermengen und fehlende Gelder für ihren Ausbau, unzureichende Transportkapazitäten sowie Korruption und eine sehr instabile politische und zivilgesellschaftliche Lage in einer Reihe von Öl produzierenden Ländern Afrikas.
Die EU hat im vergangenen Jahr einige entscheidende Schritte zur Verringerung der Abhängigkeit von russischen Energielieferungen und zur Diversifizierung der Öl- und Gaslieferanten unternommen. So unterzeichnete Brüssel im Juli eine Absichtserklärung mit Aserbaidschan über eine strategische Energiepartnerschaft. Die Erklärung sieht vor, dass in den kommenden fünf Jahren eine mengenmäßige Verdopplung der Erdgas-Lieferungen aus Aserbaidschan stattfindet und dass das Land der EU ab 2027 mindestens 20 Milliarden Kubikmeter jährlich liefert.