Eastmed: Neuankömmling in der EU-Energieversorgungskette

Überall auf der Welt beruht die Energiepolitik auf einer besonderen Kombination politischer, wirtschaftlicher und finanzieller Interessen. Dies gilt insbesondere für den östlichen Mittelmeerraum, wo sich der lukrative europäische Energiemarkt im Umbruch befindet, während die Länder des Nahen Ostens ständig auf der Suche nach vorteilhaften Allianzen sind. Die geplante Eastmed-Gaspipeline ist ein anschauliches Beispiel für eine solche Partnerschaftsvereinbarung.

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Am 2. Januar unterzeichneten Griechenland, Zypern und Israel ein Abkommen über den Bau einer neuen Unterwasser-Pipeline zur Versorgung der europäischen Märkte mit Erdgas. Das erfolgte nur wenige Wochen, nachdem die Türkei und Libyen eine Vereinbarung über die Seegrenzen im Mittelmeer getroffen hatten, die von Griechenland, Zypern und Israel abgelehnt wurde. 

Ein Teil der 1.900 Kilometer langen Eastmed-Pipeline soll die geplante Wirtschaftszone Türkei-Libyen durchqueren, die zur gleichen Zeit wie das maritime Abkommen gegründet wurde. Seitdem hat Ankara mit der geologischen Erkundung und militärischen Aktivitäten innerhalb der Grenzen der Ausschließlichen Wirtschaftszone Zyperns begonnen.

Die Türkei behauptet nun, dass sie der wichtigste und zuverlässigste Energielieferant für Südosteuropa sei. In einer Erklärung zur Unterzeichnung des Pipeline-Abkommens sagte der Sprecher des türkischen Außenministeriums, Hami Aksoy, dass die Türkei den wirtschaftlichsten und sichersten Weg für die Nutzung der natürlichen Ressourcen des östlichen Mittelmeers und deren Lieferung an die Verbrauchermärkte in Europa, einschließlich der Türkei selbst, bietet.

Die Entscheidung für das Eastmed-Projekt ist eindeutig politisch motiviert, wobei das Abkommen als Signal an die Türkei gedacht ist.

Während die politischen Absichten der Eastmed klar ist, sind die wirtschaftlichen Ziele des Projekts viel undurchsichtiger. 

Laut europäischen Analysten herrscht auf dem Energiemarkt in Europa aktuell ein Überangebot an Erdgas, und dieser Trend wird wahrscheinlich anhalten. Abgesehen von etwa einem Dutzend europäischer Länder, die Gasförderung betreiben (darunter die Niederlande, Großbritannien, Rumänien und Deutschland), bezieht Europa Lieferungen aus Norwegen, Russland, Algerien, Libyen, Katar, Nigeria und den USA. Das führte in Europe zu Preisdumping und einem daraus resultierenden Rückgang des Durchschnittspreises.

Was die Absurdität des Eastmed-Projekts noch weiter verstärkt, ist der Schritt zur Klimaneutralität, den die Europäische Union 2018 beschlossen hat. Gemäß des eine Billionen Euro kostenden Green-Deals soll die EU bis 2050 Kohlenstoff-Neutralität erreichen. Dieses Ziel wird eine umfassende Umgestaltung des europäischen Energiesektors erfordern. „Bis Mitte des Jahrhunderts klimaneutral zu werden, lässt sich nicht durch die bloße Festlegung neuer Ziele für erneuerbare Energien und Energieeffizienz erreichen. Wir werden uns auch mit der Infrastruktur und anderen Energieträgern befassen“, sagte Florian Ermacora, ein Beamter der Generaldirektion Energie der Europäischen Kommission.

Laut europäischen Analysten müssen die EU-Mitgliedsstaaten ihren Gasverbrauch um 75% senken, um die Zielvorgaben des europäischen Green Deals zu erfüllen. Mit diesem drastischen Nachfragerückgang wird die Versorgung mit dem eher teuren Gas aus dem östlichen Mittelmeerraum unwirtschaftlich und das Eastmed-Projekt somit zum Verlustgeschäft.

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Nach einem im Januar vereinbarten Zeitplan wollen Griechenland, Zypern und Israel bis 2022 eine endgültige Investitionsentscheidung treffen und die Pipeline bis 2025 fertig stellen. Selbst wenn alle Vorstufen rechtzeitig umgesetzt werden, bleiben nur noch 25 Jahre für den Betrieb der Pipeline, bevor die EU die Klimaneutralität erreichen soll.

Auf seinem Weg zu den europäischen Verbrauchern muss das Erdgas aus dem östlichen Mittelmeerraum nicht nur rund 2000 Kilometer zurücklegen, sondern auch den harten Wettbewerb mit anderen Anbietern überstehen. 

Rein wirtschaftlich gesehen schlägt das russische Gas das aus dem östlichen Mittelmeerraum. Gegenwärtig machen Kohlenwasserstoffe aus Russland bis zu 35 % aller von der EU importierten, nicht erneuerbaren Brennstoffe aus. Die Eastmed kann dagegen nur 2 – 4 % der benötigten Mengen liefern. Darüber hinaus wird der Preis für „politisch akzeptable“ Lieferungen wahrscheinlich bis zu 15 % höher sein als die derzeit von Russland vorgeschlagenen Preise. 

Zum Nachteil für das Eastmed-Projekt ist die Frage der Energiesicherheit nicht mehr so heikel wie noch vor einiger Zeit. Dank der Vermittlung durch Brüssel ist das Thema Transit von russischem Gas durch die Ukraine seit mindestens fünf Jahren gelöst. „Wir habe jetzt einen politischen Rahmen mit den wichtigsten Regelungen, die notwendig sind, um den Weg für einen langfristigen Gastransitvertrag zwischen den Unternehmen zu ebnen“, so EU-Kommissar für Energie Maroš Šefčovič nach der Unterzeichnung des Abkommens am 20. Dezember 2019. Daher ist die Notwendigkeit, alternative Routen zu sichern, nicht mehr so groß.

Für die Vereinigten Staaten, die aktiv um die europäischen Energiemärkte kämpfen, ist die Situation unsicher geworden. Obwohl die Pipeline selbst für die amerikanische Energiestrategie in Europa nicht vorteilhaft ist, unterstützt Washington die Eastmed.

Einer der Gründe dafür ist das seit langem bestehende Bündnis zwischen den USA und Israel. Es geht aber um mehr als nur politische Erwägungen. Es ist klar, dass die östlichen Mittelmeerländer jetzt zwei Möglichkeiten in Betracht ziehen – entweder die Entwicklung der Pipeline-Infrastruktur und die Herstellung einer Verbindung zu den europäischen Verbrauchern oder die vorrangige Nutzung der LNG-Infrastruktur. Die letztere Option ist für Washington weniger günstig, da LNG aus einer Nachbarregion auf den europäischen Märkten mit Sicherheit wettbewerbsfähiger ist als amerikanisches LNG. Die Vereinigten Staaten exportieren seit 2016 jährlich Rekordmengen an LNG nach Europa und erreichten 2019 durchschnittlich 142 Millionen Kubikmeter pro Tag. Zusätzlicher Wettbewerb an dieser Front ist für amerikanische Exporteure unerwünscht.

Der Bau einer Pipeline hingegen wird wahrscheinlich sowohl Zeit als auch finanzielle Ressourcen kosten. Daher sichert die Unterstützung, die die USA dem Projekt entgegenbringen, gleichzeitig die Präsenz des Landes auf dem sich entwickelnden LNG-Markt in Europa.