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Mit der Erholung der Wirtschaft nach der Coronapandemie steigt in den Industrieländern auch die Nachfrage nach Energie, wobei eine schwere Krise der Weltwirtschaft nach wie vor nicht ausgeschlossen ist. Dadurch kommt es weltweit zu einer verschärften Konkurrenz auf dem Energiemarkt, vor allem jedoch in den wohlhabenderen Ländern. Die Lage auf dem europäischen und asiatischen Erdgasmarkt hat sich infolgedessen bereits verändert. Vor dem Hintergrund der neuen globalen Klimapolitik gewinnt die Frage der ökologischen Folgen der Förderung fossiler Brennstoffe zunehmend an Bedeutung, ebenso die Umweltverträglichkeit der Energieträger, die auf stark regulierte Märkte gelangen.
Im Hinblick auf diese Aspekte halten Experten die in den USA weitverbreitete hydraulische Frakturierung zur Gewinnung fossiler Brennstoffe für das problematischste Verfahren. Fracking ist äußerst umweltschädlich, und zwar aus mehreren Gründen: es verseucht nicht nur den Boden mit Chemikalien, sondern auch das Grundwasser. Tatsächlich macht Fracking ganze Landstriche auf lange Sicht oder gar für immer unbewohn- und -bewirtschaftbar.
Sogar die Sowjetunion, die doch lange Zeit ihre Bevölkerung unterdrückt hatte, verzichtete Mitte der 1950er Jahre nach der Abkehr von den schlimmsten Auswüchsen des Totalitarismus auf Fracking als Methode zur Gewinnung von Methan aus Kohlenflözen. Die Technologie war selbst der totalitären Regierung der UdSSR zu schädlich für Umwelt und Gesellschaft.
Natürlich hat sich die Technologie seither ein wenig weiterentwickelt, doch sind in den demokratischen Staaten auch die Umweltanforderungen strenger geworden, als sie damals in einer der umweltpolitisch und sozial schwächsten Regionen der UdSSR waren. Darüber hinaus zeigen die Folgen des Frackings in den USA eindeutig, dass diese Methode nach wie vor schwere langfristige Umweltschäden verursacht. Eine Renaturierung der Fördergebiete kann hierbei ausschließlich kosmetische Erfolge erzielen.
Es ist aufschlussreich, dass man in Kanada, wo strengere Umweltgesetze gelten, dem Fracking trotz seines kommerziellen Potenzials viel skeptischer gegenübersteht.
Auch das wieder neu aufgetauchte Thema der rechtlichen Zulässigkeit der Fracking-Technologie unter den neuen ökologischen Bedingungen ist interessant. Europäische Experten werfen den USA vor, sich zur Vorantreibung ihrer energiepolitischen Interessen bei der Gasförderung „schmutziger“ Technologien zu bedienen. In den Jahren 2015-2018 stand dieses Thema schon einmal im Mittelpunkt der Fachdiskussionen und der Medienaufmerksamkeit, wurde dann jedoch bewusst aus den Schlagzeilen verdrängt, da die großen Multinationals – und zwar nicht nur die Energieriesen – großes Interesse am Ausbau der Förderung von Schiefergas und -öl hatten. Das Wiederauftauchen dieses Themas ist keineswegs Zufall, sondern spiegelt die Verschärfung der Konkurrenzlage auf dem Flüssigerdgasmarkt wider.
Für die USA ist es entscheidend, dass Fracking nicht aus Umweltgründen verboten wird: 840 der in den USA insgesamt geförderten 974 Milliarden Kubikmeter Gas stammen aus Förderprojekten in Schiefergebieten, bei denen die Technologie zum Einsatz kommt. Außerdem liegen bei den Energiefirmen über 7000 bereits genehmigte, jedoch noch nicht durchgeführte Fracking-Projekte verschiedener Größenordnungen vor. Ohne diese Projekte würden die USA wieder zum Energieimporteur werden und müssten unter anderem in China Energieträger kaufen, einem Land, das vor der Verschärfung des Handelskrieges fleißig amerikanische Fracking-Technologie erwarb.
Die Lage hinsichtlich Schiefergasproduktion und Fracking ist in den USA nicht eindeutig. Einerseits erreichte das Fracking dort bereits im ersten Quartal 2021 wieder das Niveau von vor der Coronapandemie. Andererseits erließ die Regierung Biden innerhalb der ersten 100 Amtstage unter dem Druck der Umweltlobby ein vorläufiges Lizenzierungsverbot für unkonventionelle Öl- und Gasförderung (hauptsächlich aus Schiefer) auf bundeseigenem Land. Dadurch verlangsamt sich die Ausweitung des Frackings ein wenig. Doch es ist mit ziemlicher Sicherheit anzunehmen, dass es sich hierbei lediglich um eine zeitlich begrenzte Maßnahme handelt.
Das Problem besteht darin, dass sich die USA mittels ihrer aktiven Absatzpolitik für das heimische Gas im Ausland in eine schwierige Situation manövriert haben. Einerseits findet auf den Energiemärkten Ost- und Südostasiens eine schnellere Erholung statt. Und genau dorthin geht der Löwenanteil der amerikanischen Exporte. Sogar im Pandemiejahr 2020 stieg die Ausfuhr in die asiatischen Länder laut dem amerikanischen Energieministerium auf 32 Milliarden Kubikmeter an. Die Exporte nach China beliefen sich auf 6 Milliarden Kubikmeter. 2021 werden die Ausfuhren bei einer weiteren Belebung des asiatischen Marktes wohl bei 45 Milliarden Kubikmetern liegen (LNG umgerechnet in Pipeline-Erdgas).
Andererseits jedoch können die Amerikaner gerade jetzt wohl kaum ankündigen, dass zukünftig weniger Schiefergas nach Europa geliefert werden soll. Wenn die USA weiterhin einer der führenden Gasexporteure werden wollen (statt nur ihren Eigenbedarf zu decken), muss das Land bereits in nächster Zukunft zwangsläufig die Förderung und die Förderintensität auf bereits erschlossenen Feldern erhöhen, da es mittelfristig rein technologisch unmöglich sein wird, neue zu erschließen. Ohne solche Anstrengungen werden die USA – nicht nur die US-amerikanischen Unternehmen – große Mühe haben, das Niveau von 2019 zu halten, das dank der direkten Unterstützung des Frackings durch Präsident Trump erreicht werden konnte. Die USA müssen unbedingt den Export erhöhen, minimal um 10 Milliarden Kubikmeter, um einen Anteil am europäischen Markt halten zu können, der eine Einflussnahme auf wichtige Entscheidungen ermöglicht.
Dies würde jedoch eine verstärkte Nutzung schädlicher chemischer Verbindungen und wahrscheinlich auch ein Absenken der Umweltkontrollstandards mit sich bringen. Die Firmen, die mit Fracking-Technologie arbeiten, verwenden gesundheitsschädliche Chemikalien, die die menschliche Haut, das zentrale Nervensystem und die inneren Organe schädigen. Die amerikanischen Chemiefirmen, die den Fracking-Cocktail bereitstellen (Halliburton, Multichem, WST, ProFrac Services, Liberty Oilfield Services etc.), informieren die Betreiber nicht über die genaue chemische Zusammensetzung. Oder vielmehr: sie erklären, den Betreibern sei die Zusammensetzung nicht bekannt – ist so etwas überhaupt möglich?
Zwar versichern die Amerikaner, das bei der Herstellung von Schieferöl freigesetzte Gas werde in der Statistik des Öl- und Gassektors aufgeführt (es macht etwa 30 Prozent der Gas-Gesamtproduktion aus), doch gelangt nach wie vor eine große Menge Methan in die Atmosphäre, was der Klimapolitik der USA eindeutig zuwiderläuft. Es ist noch nicht einmal klar, wie hoch die Investitionen wären, die notwendig sind, um das Fracking so umweltverträglich wie möglich zu machen und die internationalen Umweltstandards einzuhalten.
Man könnte meinen, diese Risiken seien auf die USA begrenzt, doch vor dem Hintergrund des Erstarkens der dortigen Umweltbewegung und der amerikanischen „Klagekultur“ ist es nicht auszuschließen, dass in naher Zukunft in mehreren Staaten Gerichtsverfahren gegen Öl- und Gasunternehmen angestrengt werden könnten. Die daraus resultierenden Kosten werden aufgrund der beschränkten Preissteigerungsmöglichkeiten innerhalb der USA auf die ausländischen Abnehmer abgewälzt werden.
Es ist darüber hinaus nicht ausgeschlossen, dass es auf Bundesebene eine neue Steuer auf die Schieferöl- und -gasförderung geben wird, wie sie bereits während des Präsidentschaftswahlkampfes 2016 von Hillary Clinton ins Gespräch gebracht wurde. Die jetzige politische Konjunktur ist sehr günstig für derlei Entscheidungen, egal ob mit umweltpolitischen oder sozialen Begründungen.
Auch folgender Aspekt ist erwähnenswert: Im Rahmen der Klimaagenda, die das ideologische Herzstück der Außenpolitik der Regierung Biden ist, spielt nicht nur die Dekarbonisierung eine Rolle (die in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht hat), sondern auch der Zugang zu Trinkwasser und der Ressource Wasser im Allgemeinen. Weiterer Nachdruck auf das Fracking wirft die Frage auf, ob die Energiepolitik Washingtons der amerikanischen Umweltpolitik nicht diametral gegenübersteht, da die heutige Frackingtechnologie gerade die Ressource Wasser so umfassend schädigt. Die Verwendung dieses Arguments kann unter den heutigen politischen und ideologischen Bedingungen, die die Amerikaner selbst geschaffen haben, sowohl im inländischen als auch im ausländischen Wettbewerb äußerst heikel sein.
Die Lage stellt sich heute so dar, dass die Europäer durch den Kauf von amerikanischem LNG de facto Umweltverschmutzung finanzieren, was der Klimapolitik der EU widerspricht. Eher früher als später wird dies zwischen der EU und den USA zu einem Politikum werden.
Mittelfristig wäre es vollkommen logisch, wenn die USA auf einen harten Kampf um den europäischen Markt für Erdgas (und fossile Energieträger allgemein) verzichten und sich auf die asiatischen Märkte konzentrieren würden. Der europäische Markt wird zukünftig immer höhere Anforderungen an die Umweltverträglichkeit der Energieträger stellen, während solche Einschränkungen in Asien noch lange auf sich warten lassen werden. Allerdings stellt sich in einem solchen Fall die Frage, ob man den Amerikanern prinzipiell vertrauen kann, wenn es um die vorhergesagten Liefermengen beim Schieferöl und -gas für den europäischen Markt geht. Die versprochenen Mengen sind im Vergleich zur Ära Trump zurückgegangen, doch spiegeln sie nach wie vor die Absicht der Amerikaner wider, bei der europäischen Energieversorgung eine entscheidende Rolle zu spielen. Um aber unter diesen Voraussetzungen das Fracking weiter ausbauen und verkaufen zu können, müssen die Amerikaner es so grün wie möglich gestalten.