Energiepolitik der Bundesregierung unter Druck: grüne Ziele auf Kollisionskurs mit der politischen Realität

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Seit dem Umfrage-Höhenflug der rechtsextremen Energiewendegegner von der AfD erklingen in der deutschen Energiedebatte neue Töne. Die AfD ist für ihren starken Widerstand gegen die Grünen und die Klimapolitik der Bundesregierung bekannt und hat sich die wachsenden Sorgen der Öffentlichkeit über die sozioökonomischen Folgen der ehrgeizigen deutschen Klimaziele zunutze gemacht, um ihr politisches Profil zu schärfen.

Immer mehr Unterstützung für eine Revision der klimafreundlichen Energiepolitik

Die jüngsten Umfragen spiegeln eine deutliche Verschiebung in der deutschen Politik wider. In zwei Befragungen von Insa bzw. Infratest kamen die Rechtspopulisten landesweit mit 18 Prozent auf einige Prozentpunkte mehr als die Grünen. Was die AfD besonders attraktiv macht, ist vermutlich ihre starke Kritik an der Einwanderungspolitik der Bundesregierung sowie an deren Position zum Ukrainekrieg. Die Partei weiß jedoch auch die wachsende Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der heutigen Energiepolitik geschickt für sich zu nutzen.

Vor allem Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag, hat die Bundesregierung für die Energiewende immer wieder scharf kritisiert. Ihrer Ansicht nach wird diese Umstrukturierung die Wirtschaft unterminieren und die schwächsten Gesellschaftsschichten zuerst treffen. Weidel wendet sich in erster Linie gegen das Vorhaben der Bundesregierung zur Umrüstung der Heizungen in Privathaushalten auf erneuerbare Energien und bezeichnet diese Pläne als „Heizungsmassaker“. „Menschen, die sich das nicht mehr leisten können, werden ihre Häuser verkaufen müssen“, warnte sie bei einer Pressekonferenz im Frühjahr dieses Jahres, womit sie die Behauptung der AfD unterstrich, die Energiewende sei ein Eliteprojekt, das zur „Verarmung“ der normalen Bürger führe.

Die rechtsextremen Populisten von der AfD sind jedoch nicht die einzigen, die sich die zunehmende Verunsicherung der Bevölkerung aufgrund der steigenden Energiepreise und möglichen Kraftstoffdefizite zunutze machen. Der junge linke Neuzugang in der Parteienlandschaft, das Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit (BSW), hat die Energiepolitik ebenfalls zum Kernthema erkoren und kritisiert unter anderem die Pläne der Bundesregierung, auf günstige russische Energielieferungen zu verzichten sowie ein neues Heizungsgesetz einzuführen. Das BSW ist außerdem gegen die Pläne der EU, Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor ab 2035 zu verbieten. Eine Reuters-Umfrage vor knapp einem Jahr ergab, dass die neue Partei bis zu 20 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinen könnte, im Osten Deutschlands sogar 32 Prozent. Insgesamt lässt sich sagen, dass radikale Parteien momentan so viel Unterstützung genießen wie noch nie zuvor.

Energiepolitik: die Alternativen

Die regierenden Koalitionspartner von SPD, FDP und den Grünen stehen hinter ihren ehrgeizigen Klimazielen. Diese umfassen einen umfangreichen Ausbau von Wind- und Sonnenenergie, einen beschleunigten Ausstieg aus der Kohle (idealerweise bis 2030) und die Förderung von Elektromobilität als Teil einer breiter gefassten CO2-Neutralitätsstrategie bis 2045.

Im Gegensatz dazu fordern die Oppositionsparteien auf beiden Seiten des Spektrums eine konservativere Energiepolitik, bei der wirtschaftliche Stabilität und Energieversorgungssicherheit mehr zählen als eine rasche Energiewende. Die Gegner eines schnellen Ausstiegs aus der Kohle- und Kernkraftnutzung argumentieren, dass diese Energiequellen für eine unabhängige Energieversorgung sowie zur Erhaltung von Arbeitsplätzen in den traditionellen Industriezweigen unabdingbar seien. Sie kritisieren ebenfalls die Pläne der Bundesregierung, alle Heizungen auf erneuerbare Energien umzurüsten. Begründet wird dies mit Mehrkosten, die angeblich für viele Haushalte unbezahlbar sein werden.

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Gerade im ländlichen Raum stößt dieser Ansatz auf viel Zustimmung, vor allem in Ostdeutschland, wo viel mehr Widerstand gegen Windkraftprojekte herrscht als im Westen. Laut einer gemeinsamen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) und der TU Dresden ist beinahe ein Drittel aller Ostdeutschen auf dem Land gegen Windkraft, verglichen mit nur 17,7 Prozent in den ländlichen Räumen Westdeutschlands. Das Bild wandelt sich momentan – jedoch nicht zum Vorteil der Energiewende. 2021 unterstützten noch 49 Prozent der Deutschen die Energiewende, 2023 waren es nur noch 40 Prozent, so das Ergebnis einer Umfrage des sächsischen Umwelt- und Energieministeriums. Es haben sich viele Bürgerinitiativen gegen die Errichtung von Windrädern gegründet, deren Mitglieder Sorge um den Wert ihrer Grundstücke haben und eine Verschandelung der Landschaft befürchten. „Es geht hier nicht um rechts oder links. Es geht einfach um eine Geschichte, die uns alle betrifft“, so Frank Stühmer, Vorsitzender einer solchen Bürgerinitiative, der hinzufügt, dass er aufgrund dieser Bedenken zum ersten Mal die AfD wählen werde.

Grüne Energie abhängig von Rohstoffeinfuhren

Mit dem Zuwachs bei den erneuerbaren Energien entstanden in Deutschland auch Bedenken hinsichtlich der Abhängigkeit des Landes von einigen wenigen Rohstofflieferanten. Für die Herstellung von Solarmodulen, Windrädern und Akkus für Elektroautos sind seltene Erden und andere Mineralien unverzichtbar. Seltene Erden sind Schlüsselkomponenten in den starken Magneten, die in den Turbinen der Windräder und in Elektromotoren zum Einsatz kommen. Sie vergrößern Effizienz und Leistung. In PV-Modulen sorgen seltene Erden für eine längere Lebensdauer und einen höheren Wirkungsgrad, bei Akkus tragen sie zu Langlebigkeit und Hitzebeständigkeit bei.

Problematisch ist die Tatsache, dass viele dieser Elemente nach Europa importiert werden müssen. Für Deutschland gilt, dass nahezu 100 Prozent dieser Rohstoffe eingeführt werden müssen. Laut der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) kommen 70 bis 80 Prozent der seltenen Erden aus China. Mit einem Anteil zwischen 5 und 10 Prozent sind die USA für Deutschland der zweitgrößte Lieferant. Die Abhängigkeit von Einfuhren stellt ein großes geopolitisches Risiko dar, da diese Rohstoffe häufig aus politisch instabilen Regionen kommen oder der Markt von Ländern wie China dominiert wird.

Was diese Bedenken noch verstärkt, ist die Tatsache, dass die kürzlich von China eingeführten Exportkontrollen bei wichtigen Halbleitern wie Gallium und Germanium sich mittlerweile auf die weltweite Lieferkette auszuwirken beginnen. Dadurch kommt es möglicherweise bei modernen Computerchips und militärischen Optikgeräten zu Engpässen. Es wird berichtet, dass das Gesamtvolumen des von China exportierten Galliums seit Einführung der Kontrollen um die Hälfte zurückgegangen ist. Die deutschen Vorräte könnten bald aufgebraucht sein. Die chinesische Regierung schreckt nicht davor zurück, ähnliche Beschränkungen auch für andere seltene Erden zu erlassen. Jeder Transport erfordert jetzt eine Genehmigung. Das Genehmigungsverfahren dauert 30 bis 80 Tage, wodurch Unsicherheit entsteht und langfristige Lieferverträge nicht mehr praktikabel sind. Laut Jan Giese, Manager bei der Frankfurter Handelsfirma Tradium, erhöht die Genehmigungspflicht den Druck auf die außerchinesischen Märkte und macht sie noch komplexer als sie ohnehin schon sind.

Gallium und Germanium sind essentielle Bestandteile moderner Mikroprozessoren, wie sie in beinahe allen grünen Technologien zum Einsatz kommen, so beispielsweise bei Stromgeneratoren. Diese Elemente sind außerdem für Glasfaserprodukte und die im Verteidigungsbereich so begehrten Nachtsichtgeräte entscheidend. Die jetzigen Ausfuhreinschränkungen seitens China könnten die Herstellung dieser Produkte stark behindern und es Deutschland noch weiter erschweren, die notwendigen Rohstoffe für die Energiewende zu beschaffen.

Die Opposition hat sich auf diese Themen gestürzt und argumentiert jetzt, die Energiepolitik der Bundesregierung würde Deutschland verwundbarer machen gegenüber Druck von außen. Sie warnt davor, dass diese Abhängigkeiten die nationale Sicherheit untergraben und zu Mehrkosten für die Verbraucher führen könnten, was wiederum die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Energiewende vergrößern würde.

Auch wenn AfD und BSW in der Opposition bleiben, könnten sie den Ausbau der Windkraft bremsen, vor allem vor dem Hintergrund dessen, dass die erwartete starke Aufsplittung der Stimmen bei den nächsten Wahlen die Bildung einer stabilen Regierung erschweren könnte. „Sie [die AfD] arbeitet jetzt seit zehn Jahren daran, die öffentliche Debatte zu kippen, und bei der Bevölkerung gibt es jetzt immer mehr Widerstand. Dieser Erfolg darf definitiv nicht unterschätzt werden“, so der Politikwissenschaftler Daniel Diermeier von der Vanderbilt University.  

Schlussfolgerung

Unter dem Einfluss von politischem Druck und praktischen Herausforderungen befindet sich die deutsche Energiepolitik momentan am Scheideweg. Dass auch unbedeutende Parteien mit Kritik an der Energiewende punkten können, zeigt, dass ein nicht zu vernachlässigender Teil der Bevölkerung sich Sorgen über den heutigen Kurs der Bundesregierung macht. Diese Bedenken spielen eine immer größere Rolle in der Politik. Dadurch könnte die Bundesregierung gezwungen sein, sich auf eine heikle Gratwanderung zwischen den Energiewendezielen einerseits und einer Abhilfe für die realen sozioökonomischen Folgen andererseits zu begeben. Wie Deutschland mit diesen Spannungen umgeht, wird nicht nur seine zukünftige Energieversorgung prägen, sondern könnte auch als Richtschnur für andere Länder fungieren, die mit ähnlichen Herausforderungen zu kämpfen haben.