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Dobrodošli na Otok Krk (Willkommen auf der Insel Krk)! Die größte Insel Kroatiens und der Adria ist dank ihres milden Klimas und einer Vielzahl von Kulturdenkmälern seit langem ein beliebtes Reiseziel. Krk ist außerdem die am dichtesten besiedelte Insel der Adria: laut der jüngsten Volkszählung aus dem Jahr 2011 leben auf ihr über 19 000 Menschen. Seit diesem Jahr ist Krk um eine Sehenswürdigkeit reicher, die jedoch nicht bei allen auf Begeisterung stößt. Das Tanklagerschiff mit Rückverflüssigungsanlage (FSRU) bei Krk war als Weihnachtsgeschenk für Kroatien und die gesamte Region gedacht.
Anfang 2021 wurde das neue LNG-Terminal (Kostenpunkt: 234 Milliarden Euro, beinahe zur Hälfte von der EU zur Verfügung gestellt) mit einer aufwendigen Feier eingeweiht.
Der kroatische Premierminister Andrej Plenković erklärte, das neue Terminal, das wichtigste Vorzeigeprojekt seiner Regierung, ermögliche es seinem Land, sich innerhalb der Gasinfrastruktur Europas und der Welt neu zu positionieren. Laut Plenkovi
ist die Anlage der Schlüssel zur Energieversorgungssicherheit und zur Diversifizierung der Lieferwege für Gas Richtung Mittel- und Südosteuropa. Kroatien will damit nicht nur die eigene Versorgung sicherstellen, sondern erstmals auch Erdgas in seine Nachbarländer sowie die Ukraine exportieren.
Der Wunsch Kroatiens nach einer besseren Position auf dem Gasmarkt ist absolut verständlich: die Nachfrage nach Gas im eigenen Land steigt, da der Brennstoff dort vermehrt zur Stromerzeugung eingesetzt wird. Seit 2014 steigt die Binnennachfrage jährlich durchschnittlich um 3,5%, 2019 betrug der Zuwachs 2,9 Milliarden Kubikmeter. Etwa die Hälfte des benötigten Erdgases wird importiert, allerdings von nur einem Lieferanten. 2019 war Kroatien der größte Abnehmer russischen Erdgases auf dem Balkan (2,82 Milliarden Kubikmeter). Die Diversifizierung der Energieversorgung ist ein wichtiger Grundsatz bei der Entwicklung der europäischen Energienetze, und das neue Terminal könnte für eine signifikante Reduzierung der russischen Gaslieferungen sorgen. Allerdings wird die Anlage bei Krk ja auch auf die Ausfuhr von LNG nach Ungarn, in die Ukraine, nach Slovenien, Italien etc. ausgerichtet sein. Der Betreiber, LNG Hrvatska, erklärte, die zukünftigen Lieferungen des Terminals (2,6 Milliarden Kubikmeter im Jahr) seien schon vor Inbetriebnahme auf drei Jahre im Voraus verkauft gewesen. Bis 2027 ist die Kapazität zu 80% reserviert, bis 2035 etwa zu 50%.
Leider konnte die weihnachtliche Verheißung nicht unmittelbar eingelöst werden. Nachdem im Januar die erste Tankerladung LNG aus den USA gelöscht worden war, wurde die Anlage abgestellt. Der Zufall wollte es so, dass die Lieferanten ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt das Interesse am europäischen Absatzmarkt verloren. Zwei für Kroatien bestimmte Tanker mit Erdgas aus Katar steuerten stattdessen lukrativere Märkte in Asien an. Ein Kälteeinbruch und der Mangel an Tankern machten den asiatischen Markt besonders attraktiv. Laut Planung sollte das Terminal bei Krk bereits im Januar/Februar von fünf Tankern angelaufen werden. Die Lieferung vom 14. Mai 2021 war jedoch lediglich die sechste insgesamt. Dennoch erhofften sich die Investoren von ihr eine Rückkehr zum geplanten Lieferrhythmus. Die darauffolgende Lieferung vom 31. Mai wurde dann allerdings abgesagt.
Das Terminal hat darüber hinaus mit administrativen und technischen Problemen zu kämpfen, die zumindest noch für 2021 eine Vorhersage der Auslastung erschweren werden. Eine Beurteilung der Wirtschaftlichkeit des Projekts fällt unter diesen Umständen schwer. In der Vergangenheit war von einem Amortisierungszeitraum von 20 Jahren die Rede. Hauptinvestor des Projekts und Abnehmer der Produktion der kommenden drei Jahre ist der staatliche Energieversorger HEP. In den Lieferverträgen für 2021 sah man bei HEP davon ab, einen festen Kaufpreis oder eine Preisberechnungsformel festzulegen: eine berechtigte Vorgehensweise im Falle unberechenbarer Schwankungen.
Während der Bauphase wurde das Projekt vielfach von Umweltschutzverbänden und Bürgern kritisiert. Vjeran Piršić, Vorsitzender der NGO Eko Kvarner auf Krk, entpuppte sich bereits in der Planungsphase als einer der schärfsten Gegner des Projektes. Laut Pirši
gelang es LNG Hrvatska nicht einmal bei den öffentlichen Anhörungen, die Bedenken der Bewohner von Krk hinsichtlich der Umweltauswirkungen des Terminals zerstreuen. Im Ergebnis war das Unternehmen außerstande, den engen Dialog mit und die Unterstützung der Bevölkerung zu erreichen, die für die Planung eines solchen Großprojekts unabdingbar sind.
Seit der Inbetriebnahme des Terminals hagelt es Beschwerden der Anwohner über Lärmbelästigung und Verschmutzungen. Man befürchtet, das Terminal könne Touristen abschrecken. Der Tourismus sorgt für etwa ein Fünftel des BIP der legendären „goldenen Insel“.
Die Aktivisten sehen außerdem in der Nähe des Terminals zur Insel ein Problem und befürchten eine Schädigung der lokalen Ökosysteme. Beim Betrieb des Terminals kommt Meerwasser zum Einsatz, was zu einer lokalen Abkühlung des Wassers führt. Ökologen warnen außerdem vor den Chemikalien, die zum Schutz der Rohrleitungen vor Wasserpflanzen und Weichtieren eingesetzt werden. Eine Sonderkommission der Regierung erklärte bei der Erteilung der notwendigen Genehmigungen diese Bedenken für unbegründet.
Hierzu muss allerdings gesagt werden, dass die Erteilung der Genehmigungen wie auch der Bau im Eilverfahren erfolgte. Ursprünglich war der Bau einer Anlage auf der Insel selbst vorgesehen, doch bei der Neuauflage des Projekts 2016 gab man dem Tanker Golar Viking den Vorzug, der zu einem Terminal umgebaut werden sollte. Es gibt weltweit etwa ein Dutzend solcher umgebauten Schiffe. Die Wahl fiel aus Kosten- und Zeitgründen auf diese Variante.
Ein Terminal an Land hätte eine größere Akzeptanz seitens der Bevölkerung genossen und hätte außerdem die dreifache Kapazität gehabt, war jedoch mit eigentumsrechtlichen Schwierigkeiten behaftet. Hinzu kam, dass die USA Druck auf Kroatien ausübten mit der Forderung, das Terminal schnellstmöglich in Betrieb zu nehmen. In Kroatien wurden mehrfach Bedenken hinsichtlich der schnellen Planung und Umsetzung laut, weil es dadurch zu falschen ingenieurtechnischen Berechnungen kommen könne. Man beschloss, das Terminal nicht ans nationale Stromnetz zu koppeln, sondern es stattdessen über eine autonome schwimmende Stromerzeugungsanlage mit dem Strom für die Rückverflüssigung zu versorgen.
Die Zielsetzung dieses ersten LNG-Projekts in Kroatien war zweifellos positiv: eine Diversifizierung der Energiequellen. Die Schwierigkeiten, mit denen das Projekt zu kämpfen hat, deuten jedoch nicht nur auf technische Probleme hin, sondern auch auf eine mögliche Fehleinschätzung der Konjunktur und auf die Unfähigkeit, auf die lokale Bevölkerung zuzugehen und mit ihr Absprachen zu treffen.